Junkern-Beel: Nix für Warmduscher und Couch-Potatoes

 

 

11. - 13. September 2015

 

 

Sonne, Wasser, Sand und Wald. Mit 21 eigenen sowie 2 geliehenen Pferdestärken dazu mindestens 100 PS einer Harley-Davidson und auf 13 Stahlrössern tourten die Freizeitpferdesportler aus dem Kreis Recklinghausen im September anno 2015 durchs Emsland.

 

Quartier wurde im großen Wehrhaus auf Junkern-Beel bezogen, direkt neben einem kräftig rauschenden Wehr der Ems gelegen, weshalb wir nach unserer Heimkehr erst einmal den Tinnitus aus den Ohren schütteln mussten. Aber von Anfang an.

 

Freitagmorgen trudelten die Hängergespanne der Teilnehmer ein. Sogleich wurden Zimmer und Boxen bezogen, Leihräder im Nachbarort Lathen abgeholt und ein kleiner Imbiss zwischen die Kinnladen geschoben, damit wir schnellstens auf Tour gehen konnten. Bei herrlichem Sonnenschein ritten die einen, radelten die anderen und cruisten die Harley-Chopper entlang der Ems.

 

Über schnurgerade, breite und gleichsam ebene Sandwege zogen wir Reiter in zwei großen Gruppen gen Wald. Sehr zur Freude aller, ist der dicht bewaldete Naturpark Hilterberg von einer sanften Hügellandschaft geprägt, die von schmalen, Natur belassenen Pfaden bis hin zu breiten, tief sandigen Reitwegen durchzogen ist. Leicht trabend schlängelten wir uns kreuz und quer, rauf und runter durch den Wald, stolperten über so manche Baumwurzel, duckten uns bei tief hängendem Geäst und bremsten bei holperigen Auswaschungen. Mit zunehmender Rittdauer entspannten sich die Pferde und wurden allesamt so durchlässig und feinrittig, dass wir auch die steilen “Sahara“-Sandberge überwinden konnten – natürlich nicht ohne anfänglichen Protest einiger ängstlicher Reiter. Als auch diese Herausforderung gemeistert war, strahlten die Gesichter aller Reiter und so mancher saß vor Stolz gleich aufrechter im Sattel. Um gleich am ersten Tag sowohl reiterliches Können, als auch Kondition aller Zwei- und Vierbeiner zu testen, wurde ein strammer Galopp auf der Autobahn breiten “großen Euro“ hingelegt. Richtig gelesen. Im Naturpark Hilterberg tragen die Wege Namen: große und kleine Euro, Butch- und Fritziweg, Alter Highway, Badewanne und Lange Anna, Apachen- und Schlangenpfad sowie viele mehr. Bei so viel Kreativität machte das Cruisen noch mal so viel Spaß.

 

Zur Belohnung gings abschließend zum Bibersee. Vom Wald umsäumt, liegt dieser in einer tiefen Sandkuhle. Bis auf das Schilf bewachsene Westufer, ist der Bibersee von allen Seiten leicht zugänglich. Sogleich trieben die größten Wassernixen ihre Pferde ins leuchtend-grüne Nass. Kleidung, Sättel und Zaumzeuge blieben vernachlässigt, schließlich trocknete ja alles wieder. Unsere Großstadtcowboys hingegen waren eher zurückhaltend – gar wasserscheu. Das Emsland ist eben nix für Warmduscher und “rosa Wattebäuschlein“. Wer beim wilden Planschen eh schon ein feuchtes Höschen bekam, traute sich auch noch ins tiefere Wasser.

 

Gut durchnässt aber glücklich kehrten wir nach dem feucht-fröhlichen Badespaß nach Junkern-Beel zurück, wo sogleich Pferde und Ausrüstung versorgt sowie die Reiter trockengelegt wurden. Unterdessen hatte ein fleißiges Küchenteam bereits das Gemüse fürs Abendessen geputzt und geschnippelt, super! Unser Pfadfindercamp erfahrene Küchenchef Bene übernahm den Kochlöffel und bereitete ein leckeres Abendmahl für 37 Personen. Keine leichte Aufgabe auf einem normalen Haushaltsherd. Sechs Kilogramm Gemüse, vier Kilogramm Bandnudeln dazu drei Liter Bechamelsoße wurden in Minutenschnelle verkostet. Abenteuer macht halt hungrig!

 

Die Nacht war kurz, zumindest für die wenigen Hartgesottenen, die bis vier Uhr morgens am Lagerfeuer ausharrten. Alle übrigen erschienen – mehr oder weniger munter – pünktlich um acht Uhr am Frühstückstisch. Selbstverständlich wurden unsere Pferde bereits zu einer früheren Stunde gefüttert.

 

Gegen elf Uhr wurde zum Aufbruch geblasen - vier Reitergruppen in verschiedenen Grundtempi aller Gangarten, eine Radlergemeinschaft, Spaziergänger mit Hund sowie eine Gruppe, die zur Besichtigung der Meyer-Werft nach Papenburg aufbrach. Unsere Harley-Rider entsprangen aufgrund des anstrengenden Lagerfeuergelages erst gegen Mittag ihrer kuschelig-warmen Pofe, um auf die Piste zu gehen.

 

Meine Reitergruppe steuerte zielsicher den direkt am Emsufer gelegenen und tags zuvor vom Seniorchef Hanjo Schulte-Übermühlen persönlich vorgestellten “Kilimandscharo“ an. Nichts für Anfänger und Nervenschwache, denn der für emsländer Verhältnisse hohe Hausberg, ist nur über einen Natur belassenen, sehr schmalen, steilen und gleichsam unwegsamen Weg begehbar. Eine willkommene Abwechslung! Auch Geschichtliches kam nicht zu kurz, denn rechts und links des Weges waren die Schützengräben aus vergangener Zeit erkennbar.

 

Im Galopp ritten wir rund um den Silbersee, einem großen Baggerloch inmitten des Naturparks. Mit lautem Ruf “Stopp“ mussten wir eine Vollbremsung hinlegen, denn mein gut gepflegter rechter Steigbügelriemen war durch die tausende Wanderrittkilometer derart geschwächt, dass er plötzlich nachgab und riss. Zum Glück waren Leatherman und Strohband schnell zur Hand, so dass der Riemen fachgerecht zusammengeflickt wurde, um den Belastungen der zumindest nächsten 100 Kilometer standhalten zu können. Selbstverständlich gings danach im Galopp weiter! Wieder erkundeten wir so ziemlich jeden Pfad des Waldes, ließen unsere gut konditionierten Rösser im Jagdgalopp über die breite Sandpiste der “großen Euro“ hinweg fliegen und steuerten zum Abschluss des Ausritts den Bibersee an.

 

Dieses Mal jedoch, entledigten wir – zumindest Conny und ich - uns unserer Hosen, Schuhe und Strümpfe, sattelten und zäumten die Pferde ab, um uns ins kühle Nass zu stürzen. Bis zum Bauchnabel versanken wir im Wasser. Ne, ne, nicht nur bis zum Bauchnabel des Pferdes, bis zu unserem eigenen! Vor Freude jauchzend genossen wir das seltene Erlebnis eines Vollbads zu Pferd während unsere Rösser Mailo und Arthus wohlig schnaubend die Wogen vor ihren breiten Brüsten brachen. Mit ihrer Stockmaßhöhe von gut 150 Zentimetern verloren beide Pferde ein ums andere Mal die Bodenhaftung und mussten schwimmen, was uns Reitern um so mehr Spaß bereitete. Zum Ende der Badezeit waren wir bis Oberkante Unterkiefer nass und sandig, jedoch von Glückseligkeit erfüllt. Zur Belustigung all unserer Zuschauer wälzten sich unsere Pferde ausgiebig im tiefen, warmen Sand, so dass sie anschließend frisch panierten Ponyschnitzel glichen. Nicht schlimm! Für diesen Fall hatten wir Bürste und Handtuch im Gepäck. So konnten wir unsere Pferde nach dem Trocknen wieder aufsatteln, ohne Gefahr zu laufen, sandige Scheuerstellen unter dem Sattel zu verursachen.

 

Während unseres Sonnenbadens strömten hunderte Ponykinder aus allen Himmelsrichtungen zum Bibersee heran, um sich ebenfalls nasse Hufe zu holen. Auch Seniorchef Hanjo fuhr mit einer kleinen Kutsche vor, um dann mit uns gemeinsam wie beim Fernsehen “in der ersten Reihe“ zu sitzen. Dazu spendierte er ein erfrischend-kühles Blondes. Überdies verlieh er unserer “Kamikaze-Conny“ ein reflektierendes Leibchen mit der Aufschrift “Caution Horse & Rider“, damit alle künftig vorgewarnt sind, wenn Conny auf ihrem Mailo nicht rechtzeitig die Kurve kriegt.

 

Abends am Lagerfeuer wurden die Tageserlebnisse der verschiedenen Gruppen ausgetauscht. Die Besucher der Meyer-Werft konnten viel Spannendes berichten, denn sie hatten das Glück, einen nigelnagelneuen Ozeanriesen zu bestaunen, der in den nächsten Tagen zu seiner Jungfernfahrt auslaufen sollte. Unsere übrigen Nichtreiter verlebten einen sportlichen Radeltag und waren überdies in Oberlangen auf einem echten Rodeo zu Gast, wo Barrel-Race und rasante Geschicklichkeitsspiele auf dem Programm standen.

 

Die Nacht war wieder kurz und sehr nass, denn es plädderte in Strömen. Zum Glück rissen am Morgen die Wolken auf und auch unser dritter Tag war von der Sonne reichlich beschienen. Zum Ausklang unseres Emslandtrips unternahmen wir ruhigere Touren zu Pferd, per Drahtesel bzw. Harley, bevor wir gegen 16 Uhr Nachmittags das lieb gewonnene Junkern-Beel verließen. Bestimmt kommen wir bald mal wieder!

 

12. Mai 2016, Autor/Redaktion: Gabriele Eichenberger